Saturday, January 21, 2012

Veggies

Die vegetarische, vor allem vegane, Propagandawelle rollt fast ungebremst. Letztlich zehren sie mit ihrem Gemisch von Wahrheiten, Irrtümern und Ungeklärtem von einer Tatsache: Daß der moderne Fleischkonsum (Massentierhaltung etc.) OFFENSICHTLICH eine Katastrophe ist. Während die Problematik, die Welt in einen großen Acker zu verwandeln, weniger OFFENSICHTLICH ist.
"Der Ackerbau ist raubtierhaft: was er frisst sind Ökosysteme, und er verschluckt sie ganz."
(im engl. Original von Lierre Keith)
Das Weitere das hier gegen vegetarische Mythen geschrieben wird, mag auch Fehler enthalten, wie alles Geschriebene. Das Schlimme an vielen Veggies ist ja aber dieses "Ich bin im Besitz der alleinseligmachenden absoluten Wahrheit."

Natürlich gibt es auch Vegetarier, die einfach nur kein Fleisch essen wollen. Der Irrtum, um den es mir geht, besteht nicht in der persönlichen Ernährung, sondern in der Ideologie, daß es alle anderen genauso machen sollten. Wobei mir rätselhaft ist, wie man das pro-vegane Argument der weltweiten Ernährungsversorgung bringen kann und gleichzeitig Fisch von der Speisekarte verbannen will.

Wenn es im genannten Link nun zu jenem Buch von Lierre Keith (siehe Zitat oben) heißt:
Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass das Buch zugleich ein politisches Manifest für Feminismus, gegen die Lebensmittelindustrie und gegen gewisse Formen der Zivilisation darstellt und sich entsprechend liest. Manche werden diese Aspekte ausblenden wollen, andere nicht.
, muß ich sagen, daß es mir ja um diese Aspekte gerade geht. Während der handelsübliche Veggie eben doch mehr oder weniger glaubt, die Trennlinie zwischen Gut und Böse verlaufe zwischen veganer und Allesfresser-Ernährung.

Saturday, January 14, 2012

Wertkritik und Medizin

Das sind ja die Schwerpunkte, mit denen ich mich (neben den Erfordernissen des real existierenden Alltags im real existierenden Kapitalismus) befasse.
Und diese beiden Dinge passen irgendwie nicht gut zusammen. Schon personell gibt es wenig Überschneidungen, ich bin eine Ausnahme. Medizinkritiker sind oft in gesellschaftlichen Fragen sehr unterbelichtet und hängen gern mehr oder weniger abstrusen Verschwörungstheorien an. Bestenfalls reicht es für Geld/Zinskritik a la Gesell. Das verschwörungstheoretische Denken ist vielleicht besser nachvollziehbar (aber immer noch abzulehnen), wenn man weiß, wieviel in den Naturwissenschaften, vor allem im Zusammenhang mit der Medizin, unterdrückt und manipuliert wird. Auch die sog. Alternativen übernehmen sehr viele Irrtümer und Verbrechen der Schulmedizin, z.B. das Konzept der Infektionskrankheiten, welches auf den Müll der Geschichte gehört.

Der Wertkritiker wiederum weiß über die inneren Systemwidersprüche unserer Gesellschaft genau Bescheid und wäre m.E. derjenige, der die Medizinirrwege auch gut erklären könnte. Leider weiß er von denen aber sehr wenig. Es geht meistens nur um Verteilung des medizinischen Fortschritts, was allerdings im Bereich z.B. von Hilfsgeräten (Prothesen, Trainingsmaschinen usw.) durchaus auch seine Berechtigung hat. Aber die Wertkritik hat sich ja auf die Fahnen geschrieben, in Abgrenzung zum Traditionsmarxismus auch Kritik an grundsätzlichen Kategorien wie Geld und Ware zu üben. Da, kurz gesagt, die Produktion zum Zweck der Geldvermehrung erfolgt, liegen qualitative Mängel nahe, vor allem solche, die sich verschleiern lassen. Folglich liegt auch Manipulation auf der Hand.

In allgemeiner Hinsicht ist das der Wertkritik auch geläufig. So schrieb Robert Kurz vor einigen Jahren, man merke den Dingen (Erzeugnissen) immer deutlich an, für welchen Zweck sie hauptsächlich geschaffen wurden. Anselm Jappe meint sogar ganz keck, fast alles was heute produziert werde, sei Schrott.

Nur die Medizin scheint für viele ein Heiligtum zu sein. Ganz aussichtslos ist die Lage freilich nicht, so schrieb Peter Klein von den Streifzügen im Jahr 2009:
"Diese millionenfach verbreitete Mentalität überlässt sogar die Sorge für den eigenen Körper und das eigene Wohlbefinden, von den eigenen Kindern zu schweigen, den „dafür“ ausgebildeten Spezialisten, die es objektiv und damit besser wissen müssen."
( Die Herrschaft der Beliebigkeit ) . Das Pikante daran ist, daß "Peter Klein" m.W. ein Pseudonym ist und der Mann im echten Leben Arzt ist (oder war).
Sehr Deutliches ist auch in einem Artikel von Marianne Gronemeyer (2006) auf den Seiten der Streifzüge zu lesen (ich zitiere in voller Länge, weil der Zusammenhang nicht verloren gehen sollte):
"Der Gesellschaft und der Natur schaden in diesem Sinn nicht nur die 220 Reichsten der Welt, die sich den halben Globus unter den Nagel gerissen haben, nicht nur die Tausende von Wissenschaftlern, die ihren Lebenssinn und ihren Ruhm darin suchen, fieberhaft die militärischen Vernichtungspotenziale zu raffinieren, auch nicht nur die , exzellenten Köpfe’ in den Biotechnologien, die die Menschen und alles, was sonst kreucht und fleucht und wächst und gedeiht, aller Kreatürlichkeit berauben und zum Rohstoff ihrer hybriden Konstruktionsabsichten machen wollen, und auch nicht nur die neuen Zyniker im großen Agrobusiness, die eine Apokalypse des Hungers vorbereiten, indem sie das Saatgut so manipulieren, dass es nach einer Ernte tot, also nicht mehr keimfähig ist und Jahr für Jahr neu gekauft werden muss bei diesen Herren der Erde.

Wohlgemerkt, sie alle stehen in hohem gesellschaftlichen Ansehen.

Schädigend sind jedoch auch die Betreiber jener Professionen, die nach wie vor auch moralisch einen guten Ruf genießen, die Repräsentanten der Dienstleistungsberufe, die heilenden, lehrenden und helfenden Berufe eingeschlossen, die sich schmeicheln, nichts als segensreich zu sein in ihrem Wirken, während sie in Wahrheit eine entmündigende “Expertenherrschaft” (Ivan Illich) aufrichten, die die Menschen der Verfügungsgewalt über ihre eigenen Belange vollständig beraubt. Ich muss mich nur in meiner eigenen Lebensgeschichte umsehen, um mich darüber zu entsetzen, wie viele von den Lebens- und Sterbensverrichtungen, die in meiner Kindheit noch ganz selbstverständlich in der Verfügung von jederfrau und jedermann waren – von der Reparatur der Dinge des täglichen Bedarfs über die Kurierung von Kinderkrankheiten bis zum Sterbebeistand -, heute in die Zuständigkeit von Experten und Expertinnen fallen, die sie als Dienstleistungsware feilbieten und jeden Versuch, davon keinen Gebrauch zu machen, nicht nur mit professioneller Strenge entmutigen, sondern sogar scharf sanktionieren.

Kurzum: Bei genauerem Hinsehen wird man feststellen, dass beinah alles, was heute berufsmäßig an Arbeit verrichtet wird, menschheitsschädigend ist, und zwar durch die Bank."
Quelle: Wenn uns die Arbeit ausgeht

Schließlich ist auf den bereits genannten Anselm Jappe zu verweisen, der schon vor über 10 Jahren das wegweisende Werk Gene, Werte, Bauernaufstände verfaßt hat. Es ist sicher kein Zufall, daß gerade dieses Werk innerhalb der Wertkritik auf Kritik stieß. In der Tat wird ein problematischer Punkt berührt, nämlich der des Naturalismuswahns. Viele Medizinkritiker sind naturverliebt, nicht selten mit Hang zur Esoterik. Auch das muß nicht alles falsch oder schlecht sein, aber da lauern Gefahren, das ist wohl jedem klar, der sich nur ein wenig mit Gesellschaftskritik beschäftigt. Wenn aber weder der "Fortschritt", noch der Kapitalismus noch "die Natur" als absolute Orientierungspunkte taugen, was eigentlich dann? Auch dazu hat Jappe etwas geschrieben, aber das muß auf einen späteren Blogeintrag vertagt werden.

Sunday, January 08, 2012

Ludwig Hirsch (1946 - 2011)

Im Gegensatz zu den anderen in 2011 verstorbenen Künstlern (soweit sie hier besprochen werden) ging Ludwig Hirsch in den Freitod. Aber was heißt schon "frei"? Sagen wir, er bestimmte die Umstände selbst. In seinem Werk war der Tod bereits viel früher sehr gegenwärtig. Vermutlich haben alle Liedermacher den Tod gern thematisiert, aber er vielleicht noch mehr, oder ist es mehr in Erinnerung geblieben. Die Würmer, die an ihm als fiktiv Totem nagen, verfolgen mich fast seit Kindesbeinen (I lieg am Ruckn). Und der große schwarze Vogel - das Titellied seiner zweiten Platte (1979) ist so eindringlich, daß es - auch bei Gefallen - nicht einfach so zu "konsumieren" ist.

Der schwarze Vogel steht ja nach Hirsch nicht für ein Ende, sondern einen Anfang bzw. Übergang. Ob er davon wirklich so überzeugt war oder eher sich selbst Mut machte, können wohl höchstens Menschen sagen, die ihm sehr nahe standen. Jedenfalls hat er auch später diese Einstellung bekräftigt:
"Der Tod ist ein Seitensprung, mehr a scho ned.
Du schläfst ein und wachst auf, nur in an anderen Bett",
Zeilen, die natürlich anläßlich seines Todes häufig zitiert wurden.

Der Charakter seiner Lieder war trotz der Charakterisierung "dunkelgrau" (die er sich mit dem Titel seiner ersten CD selbst zugezogen hat) doch sehr unterschiedlich. Einige sind einfach tröstlich oder auch lustig, andere eben düsterer, aber kaum mal hoffnungslos-depressiv. Die Kritik an einer Gesellschaft, die sicher deutlich morbider ist als er selbst, wird in menschlich anrührenden Bildern verpackt, mal mehr mal weniger bissig. Für mich gehören zu den stärksten Stücken "Peterle", das Schicksal eines Geistesschwachen (an dieses Thema hat sich sonst wohl kaum jemand getraut?), und das extrem beklemmende "Der Dorftrottel" mit starker Kritik auch an der Kirche ("Herrgott, der Pfarrer fährt einfach davon!"). Auch "Omama" und "Der alte Herr Haslinger" lassen keinen Zweifel daran, daß sich hinter schrulliger "Harmlosigkeit" älterer Damen und Herren häufig Abgründe auftun.

Beim Betrachten einiger jüngerer Interviews bleibt doch der Eindruck haften, daß Hirsch gewisse Selbstzweifel hinsichtlich seines Schaffens plagten. Genauer gesagt, daß er die Menschen mit einer bestimmten Kunstform ansprechen konnte, er sich aber unsicher war, ob er auch jenseits deren Grenzen bestehen könne. Er schien mir überhaupt relativ abhängig von der Anerkennung durch andere zu sein, in Form etwa von Preisen und Ehrungen.

In den letzten Jahren war er "müde", heißt es, seine etwas unklare Krankheit mag nur ein Symptom dafür sein. Von Burnout und Depression ist derzeit ja generell viel die Rede - nur eine Mode? Ich glaube nicht, aber natürlich sind diese "Krankheiten" schwammig, und natürlich werden die gesellschaftlichen Hintergründe unzureichend beleuchtet.

Was immer seine Gründe waren, er war nicht zu müde zu gehen.
1928

Thursday, January 05, 2012

Wulff (ja ich weiß)

Schrecklich banales Thema. Alles ist so banal daran, insofern paßt es ins Bild (no pun intended). Was der Kollege vom stern schrieb, ist natürlich alles richtig. Und auch lustig, ich meine, schreiben können die Mainstreamler irgendwie schon: "In seinem Sünder-Interview hat Bundespräsident Wulff sich als fehlbarer, aber besserungswilliger Demokratienovize dargestellt". Demokratienovize, köstlich.

Natürlich fehlt beim Mainstream aber auch immer irgendwas. Hier z.B. das, was auf einer kritischen Webseite zu lesen war, ich fasse zusammen: Die Autoritätssehnsucht bestimmt die Fallhöhe. Nur: Das Ausfüllen von Autoritätssehnsüchten, vom Verlangen nach einer Lichtgestalt, die dem "Volk" väterlich den Weg weist, ist ja gerade die Jobbeschreibung eines Bundespräsidenten. Wer diese zweifelhafte Kunst nicht beherrscht, darfs eben nicht werden. In D gibt es übrigens nur zwei Lichtgestalten, Richard von Weizsäcker und Franz Beckenbauer.

Also Fazit: Eigentlich müßte das Amt weg. Wenn man das Amt aber akzeptiert, muß Wulff weg. Daß offenbar bestimmte Kräfte (Springer?) sehr darum bemüht waren, Wulff wegzuschaufeln, hat sicherlich wieder ganz andere Gründe, siehe z.B. (als Möglichkeit): Was steckt hinter der Hetzjagd?.

Wednesday, January 04, 2012

Leben

Wert hat nur das, was stirbt und vergeht,
was einmalig ist und befristet,
eines Tages, wenn nirgends dein Name mehr steht,
hast du Gott und die Welt überlistet.
(Aus dem Lied: Ode ans Diesseits, von Holger Saarmann)

Tuesday, January 03, 2012

Das Phänomen Sibylle Berg

Es scheint sie zu stören, wenn man sie haßt. Es ist ihr auch unerklärlich; die Leute würden sie schließlich gar nicht kennen, schrieb sie kürzlich. Verblüffend! Tut sie doch alles, um den Unwillen so vieler Menschen wie nur möglich auf sich zu ziehen. Merkt sie das wirklich nicht, oder spielt sie doof?

Ich bin erst vor kurzem auf Sibylle Berg aufmerksam geworden, sie teilt sich ja auf Spiegel Online eine Kolumne mit fünf anderen Autoren und schreibt ca. ein Mal pro Woche. Ihre Bücher kenne ich nicht, angeblich soll es dort auch nicht allzu heiter zugehen. Genau das war der Grund, warum ich an ihren Texten hängengeblieben bin. Gegen gepflegte Weltuntergänge hatte ich noch nie etwas einzuwenden. Tenor: Was soll all der Quatsch, den die Leutchen so treiben, von Karriere bis Biokost, angesichts einer untergehenden Welt? Allerdings fragte mich dann eine Blog-Kollegin: Facelifting- und Magerwahn sind aber trotzdem noch sinnvoll, ja? Und ich sah Bilder von S. Berg und erkannte, daß sie fertig hat. Seitdem tut sie mir vor allen Dingen leid. Ist sie damit auch unglaubwürdig? Ist ja keine Politikerin, muß nicht "glaubwürdig" sein. Aber inwieweit kann man ihre Aussagen noch ernst nehmen? Will sie überhaupt ernst genommen werden oder nur unterhalten und Geld verdienen mit all ihrer Widersprüchlichkeit und den bereitwillig dargebotenen Angriffsflächen?

Die meisten kritisieren sie für ihre ewige Schwarzmalerei. Ich, wie gesagt, finde es nett, nur ist zuzugeben, daß dieses Motiv auch nicht gerade abendfüllend ist. Tatsächlich befaßt sie sich ja mit vielen Themen, trotz baldigem Untergang, und tritt in sämtliche Fettnäpfchen, auch in die meinigen...

Sie verfügt über ein aus Massenmedien und "Fachleuten" zusammengebasteltes solides Halbwissen. Das wäre noch nicht so ungewöhnlich, wenn sie dies nicht als Weisheit letzten Schluß verkaufen und scharf gegen jeden schießen würde, der ein wenig mehr Ahnung hat (ihrer Meinung nach aber gar keine). Das geht schon gefährlich in die Nähe der verabscheuenswerten Kombi "Ignoranz+Arroganz". Dieses Schießen aus der Hüfte kann aber literarischen Charme haben, keine Frage, und manchen Erkenntniswert: Ein Blitzen in finsterster Nacht. Deshalb tut sie es auch, bleibt zu vermuten, unbewußt oder bewußt. Verzicht auf mehr Informationen, um nicht in drögen Doktorarbeiten zu versinken?!