Friday, July 25, 2008

Wieder was Altes "gefunden" :)

Du sollst erwachsen sein
im Herzen bist du Kind
ein Wort von dir sprengt jede Sitzung
du willst kein großer Redner sein
denn deine Ziele sind nur Fragen...

Uns bleibt nicht mehr viel Zeit für Unentschlossenheit
für Illusion, Kaffee und Spielchen.

Klaus Hoffmann, Meine stolze Galeere
http://www.youtube.com/watch?v=OM9KjT-colY

Tuesday, July 15, 2008

Rosa Luxemburg und der Fortschritt

Wieder aus dem sehr ergiebigen EXIT!5. Diesmal Udo Winkel und Frigga Haug, letztere als Autorin des Buchs "Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik", Winkel als Rezensent dieses Werks:

Es folgt ein Abschnitt über Luxemburgs Sprache und die richtige Einsicht zu den "Produktivkräften im Widerspruch":
"Was Luxemburg von anderen Theoretikern der Arbeiterbewegung trennt, ist nicht, wie (Christel) Neusüß behauptet, eine Absage an den technischen Fortschritt; es ist die radikale Anwendung des marxschen Widerspruchsdenkens auf den Zustand der bürgerlichen Gesellschaft. Was diese an Produktivkräften entwickelt, sind in ihr und für sie zugleich Destruktionskräfte." (S. 40) Luxemburgs Verweis dazu: "Auf die bürgerliche Welt können die großen Verkehrsmittel (Eisenbahnlinien), wie alles was sie schafft, am Ende nur zerstörend wirken. Aber für den allgemeinen Kulturfortschritt sind sie von enormem und bleibendem Wert" (hier zitiert nach Haug, S. 40). Diese Einsicht wirft auch ein Schlaglicht auf das heutige Unwesen der Deutschen Bahn wie auf die Privatisierung, Ökonomisierung und den Abbau der öffentlichen Infrastrukturen überhaupt, deren Erhalt für eine zukünftige Gesellschaftlichkeit jenseits des Kapitalismus wichtig wäre.

Tuesday, July 08, 2008

Nochmal Polanyi

Wie gesagt, schreibt er vor ca. 65 Jahren als Beobachter einer untergegangenen Marktwirtschaft. Eine Marktwirtschaft, die im 19. Jahrhundert katastrophale Armut hervorbrachte und die seit ca. 1900 nicht mehr funktionierte bis hin zur großen Depression. Das "Ob" ist für ihn kein Thema mehr. Sehr wohl ein Thema sind für ihn allerdings die Versuche, die Ursachen für diese Misere an anderer Stelle zu suchen: Für die Wirtschaftsliberalen ist nämlich nicht die Marktwirtschaft schuld, sondern die Ideologen, die immerzu Eingriffe in diese predigen. Der Wirtschaftsliberalismus hätte nie eine echte Chance gehabt. Polanyi, eigentlich ein moderater Analytiker, findet harte Worte für diese Haltung:

In Amerika berief sich der Süden zur Rechtfertigung der Sklaverei auf die Argumente des Laissez-faire; der Norden verlangte das bewaffnete Eingreifen zur Errichtung eines freien Arbeitsmarktes. Die von liberalen Autoren erhobene Anklage gegen den Interventionismus ist somit ein leeres Schlagwort und bedeutet bloß die Verurteilung einer und derselben Reihe von Handlungsweisen, je nachdem, ob sie sie billigen oder nicht. [...]
Schließlich enthüllt die Analyse, daß nicht einmal radikale Verfechter des Wirtschaftsliberalismus jener Gesetzmäßigkeit entkommen konnten, die das Laissez-faire in fortgeschrittenen Wirtschaftsverhältnissen unanwendbar machte; denn in den entscheidenden Fällen des Gewerkschaftsgesetzes und der Antitrustbestimmungen mußten die extremen Liberalen selber vielfältige Interventionen des Staates anfordern, um die Voraussetzungen für einen funktionierenden selbstregulierenden Markt vor monopolistischen Gruppierungen zu schützen [Anmerkung: Von "selbstregulierend" kann dann aber m.E. keine Rede mehr sein]. Sogar Freihandel und der Wettbewerb erforderten Interventionen, um funktioneren zu können. Die liberale Legende der "kollektivistischen" Verschwörung der siebziger und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts widerspricht allen Tatsachen.

Untere Interpretation der Doppelbewegung wird, so meinen wir, von den Beweisen erhärtet. Denn wenn die Marktwirtschaft eine Bedrohung der menschlichen und natürlichen Komponenten der Gesellschaftssubstanz darstellte, wie wir behaupten, was wäre dann anderes zu erwarten, als daß eine große Anzahl von Menschen das Bedürfnis nach einer Art Schutz hätte? Und dies haben wir ja festgestellt. Ferner war zu erwarten, daß dies ohne jegliche theoretische oder intellektuelle Voreingenommenheit ihrerseits und unabhängig von ihren Einstellungen gegenüber den einer Marktwirtschaft zugrunde liegenden Prinzipien vonstatten gehen würde. Auch dies war der Fall. [...] Schließlich bewies das Verhalten der Liberalen selber, daß die Aufrechterhaltung der Freiheit des Handels Interventionen nicht nur nicht ausschloß, sondern sogar solche forderte, und daß die Liberalen selber regelmäßig nach staatlichen Zwangsmaßnahmen riefen, wie im Falle der Gewerkschaftsgesetze und Antitrustgesetze geschehen. Die geschichtlichen Beweise sind somit ausschlaggebend für die Frage, welche der zwei konkurrierenden Interpretationen der Doppelbewegung die richtige ist: jene der Anhänger des Wirtschaftsliberalismus, er behauptete, seine Politik hätte nie eine Chance gehabt, sondern sei durch kurzsichtige Gewerkschafter, marxistische Intellektuelle, habgierige Fabrikanten und reaktionäre Grundbesitzer abgewürgt worden; oder jene seiner Kritiker, die die allgemeine "kollektivistische" Reaktion gegen die Expansion der Marktwirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als schlüssigen Beweis für die Gefahren heranziehen können, die der Gesellschaft aus dem utopischen Prinzip eines selbstregulierenden Marktes drohen.

Sunday, July 06, 2008

Christian Mielenz: Wie die Karnickel

Dennoch möchte ich auf ein Wort meines Kollegen Rilke verweisen: "Armut ist ein großer Glanz von innen!” (Ein Glanz, der seine größte Intensität in den Augen afrikanischer Kinder im letzten Stadium des Verhungerns erreicht.) (Hannes Wader)

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte in Deutschland (und weiten Teilen Europas) eine unglaubliche Massenarmut. Als Ursache wird vom Mainstream hauptsächlich Überbevölkerung angegeben: Die Bevölkerung sei schneller gewachsen als die Nahrungsmittelproduktion. Von linker Seite wird demgegenüber geltend gemacht, die kapitalistische Industrialisierung sei schuld.

Christian Mielenz untersucht in EXIT! 5 das Phänomen mit Hilfe einer Fülle von Daten und Statistiken und kommt zu folgendem Schluß:

Eine "Überbevölkerung" hat es im 19. Jahrhundert in Deutschland nach dem bisher Gesagten und Gezeigten offenbar nicht gegeben. Die malthusianische Theorie [Überbevölkerung] läßt sich empirisch nicht verifizieren. Aber auch die im ersten Kapital nur kurz erwähnte Erklärung des Pauperismus [Massenarmut jener Zeit] aus der Industrialisierung kann, zumindest in ihrer kruden unmittelbaren Formulierung, nicht verteidigt werden. Die Industrialisierung in Deutschland setzt tatsächlich erst ab etwa 1850 ein, also nach dem eigentlichen Pauperismus.
[...]
Der Pauperismus war offenbar weniger eine existenzielle (im Sinne naturhafter Gegebenheiten oder begrenzter technischer Möglichkeiten), sondern vielmehr eine ökonomische Krise. Dass überwiegend lohnabhängige (bzw. im Übergang zur Lohnabhängigkeit begriffene) Menschen von der Massenarmut betroffen waren, läßt nach dem bisher Gesagten darauf schließen, dass sie aufgrund der Preissteigerungen, nicht aber aufgrund tatsächlicher Nahrungsmittelknappheit verarmten [Eigene Anm.: Also in der Tendenz wie heute]. Denn obwohl der Nahrungsmittelspielraum im frühen 19. Jahrhundert schneller wuchs als die Bevölkerung Deutschlands, stiegen die Agrarpreise und fielen die Reallöhne. Wie läßt sich das erklären?

[...] Dazu zitiert Mielenz Lieselotte Dilcher:
"Im Rahmen der sogenannten Regulierung, die 1816 in Preußen geregelt wurde, und der Ablösung der Reallasten, konnten spannfähige Lass- und Pachtbauern zu Eigentümern ihres Besitzes werden, sofern sie bereit waren, den bisherigen Eigentümer des Landes für den Wegfall der Hand- und Spanndienste zu entschädigen, die sie bis dahin geleistet hatten. Die Summe der Beiträge, die die freiwerdenden Bauern im alten Preussen zu bezahlen hatten, wurde auf 260 Millionen Mark berechnet. Außerdem hatten diese Bauern vom erblichen Besitz ein Drittel, von nicht erblichem Besitz die Hälfte an den Gutsherrn abzutreten. Die nichtspannfähigen Kleinbauern dagegen mussten weiterhin Handdienste leisten und wurden, da der Bauernschutz aufgehoben war, in großer Zahl ihres nicht erblichen Besitzes enthoben und somit zu land- und besitzlosen Tagelöhnern".
(Dilcher: Der deutsche Pauperismus und seine Literatur, FFM 1957)

Mielenz beantwortet daher die Frage nach dem Grund für die steigenden Preise und sinkenden Löhne wie folgt:
Die Expropriation der Bauern, wie Dilcher sie nennt, vollzog sich in weiten Teilen Deutschlands: Schlesien, Preußen, Vorpommern, Mecklenburg. Viele Bauern verschuldeten sich durch die hohen Ablösesummen oder gerieten sogar in Konkurs, woraufhin sie ihr Land verkaufen mussten (wenn sie nicht vorher bereits durch die Landabgaben in die Landarmut geraten waren). Auch die Aufhebung der gemeinen Nutzungsrechte der Allmenden durch das Gesetz über die Gemeinheitsteilungen im Juli 1821 in Preußen ließ die Realeinkommen der unteren sozialen Schichten einbrechen. Dadurch waren immer mehr Angehörige der Unterschichten gezwungen, sich Lohnarbeit als zusätzliche Erwerbsquelle zu suchen. Es war diese zunehmende Abhängigkeit von den Märkten - und damit auch von Lohneinkommen und Preisentwicklungen - ,welche die Unterschichten armutsanfällig für die Teuerungskrisen machte, die ihrerseits nicht auf mangelnde Produktionskapazitäten ("Nahrungsmittelspielraum") zurückzuführen waren, sondern auf die zunehmende "Inwertsetzung" (Monetarisierung, Einbindung in Marktprozesse) der Nahrungsmittelproduktion.

Gerade diese Transformation der weitgehend "Subsistenzabhängigen" in Lohnabhängige bewirkte eine Pauperisierung der Massen. Man kann den Pauperismus daher zutreffend als "Transformationskrise" bezeichnen. Sie entstammte aber nicht den "alten" feudalen Zuständen, sondern gerade umgekehrt der sich im 19. Jahrhundert herausbildenden marktwirtschaftlichen Gesellschaft. Die Preis-Lohn-Schere war nicht die Folge eines absoluten Bevölkerungsanstiegs, sondern eines Anstiegs der lohnabhängigen Bevölkerung bzw. die Folge der Transformation von subsistenzabhängigen Bauern in Lohnabhängige.

Friday, July 04, 2008

Lästern

Heute muß ich einfach mal lästern. Dabei kann ich gar nicht beschreiben, wie sehr mich diese beiden Herren Wichtigtuer anwidern. Fotostrecke Matussek - Friedman
Sorry, muß mich übergeben...

Wednesday, July 02, 2008

Müßiggang hat Gold im Mund

Ein Müßiggänger ist der Mensch der Zukunft. Betreibt der Müßiggänger künftig Müßiggang, so wird es zu einer Revolution kommen, die auf wunderbare Weise Errungenschaften hervorbringt, von denen heute niemand zu träumen wagt.
Günter Bruno Fuchs
(1928 - 1977)

Er würde morgen (3.7.) 80 Jahre alt werden, "wenn er" (O-Ton Junge Welt) "sich nicht lange vorher zu Tode gesoffen hätte."