Sunday, January 08, 2012

Ludwig Hirsch (1946 - 2011)

Im Gegensatz zu den anderen in 2011 verstorbenen Künstlern (soweit sie hier besprochen werden) ging Ludwig Hirsch in den Freitod. Aber was heißt schon "frei"? Sagen wir, er bestimmte die Umstände selbst. In seinem Werk war der Tod bereits viel früher sehr gegenwärtig. Vermutlich haben alle Liedermacher den Tod gern thematisiert, aber er vielleicht noch mehr, oder ist es mehr in Erinnerung geblieben. Die Würmer, die an ihm als fiktiv Totem nagen, verfolgen mich fast seit Kindesbeinen (I lieg am Ruckn). Und der große schwarze Vogel - das Titellied seiner zweiten Platte (1979) ist so eindringlich, daß es - auch bei Gefallen - nicht einfach so zu "konsumieren" ist.

Der schwarze Vogel steht ja nach Hirsch nicht für ein Ende, sondern einen Anfang bzw. Übergang. Ob er davon wirklich so überzeugt war oder eher sich selbst Mut machte, können wohl höchstens Menschen sagen, die ihm sehr nahe standen. Jedenfalls hat er auch später diese Einstellung bekräftigt:
"Der Tod ist ein Seitensprung, mehr a scho ned.
Du schläfst ein und wachst auf, nur in an anderen Bett",
Zeilen, die natürlich anläßlich seines Todes häufig zitiert wurden.

Der Charakter seiner Lieder war trotz der Charakterisierung "dunkelgrau" (die er sich mit dem Titel seiner ersten CD selbst zugezogen hat) doch sehr unterschiedlich. Einige sind einfach tröstlich oder auch lustig, andere eben düsterer, aber kaum mal hoffnungslos-depressiv. Die Kritik an einer Gesellschaft, die sicher deutlich morbider ist als er selbst, wird in menschlich anrührenden Bildern verpackt, mal mehr mal weniger bissig. Für mich gehören zu den stärksten Stücken "Peterle", das Schicksal eines Geistesschwachen (an dieses Thema hat sich sonst wohl kaum jemand getraut?), und das extrem beklemmende "Der Dorftrottel" mit starker Kritik auch an der Kirche ("Herrgott, der Pfarrer fährt einfach davon!"). Auch "Omama" und "Der alte Herr Haslinger" lassen keinen Zweifel daran, daß sich hinter schrulliger "Harmlosigkeit" älterer Damen und Herren häufig Abgründe auftun.

Beim Betrachten einiger jüngerer Interviews bleibt doch der Eindruck haften, daß Hirsch gewisse Selbstzweifel hinsichtlich seines Schaffens plagten. Genauer gesagt, daß er die Menschen mit einer bestimmten Kunstform ansprechen konnte, er sich aber unsicher war, ob er auch jenseits deren Grenzen bestehen könne. Er schien mir überhaupt relativ abhängig von der Anerkennung durch andere zu sein, in Form etwa von Preisen und Ehrungen.

In den letzten Jahren war er "müde", heißt es, seine etwas unklare Krankheit mag nur ein Symptom dafür sein. Von Burnout und Depression ist derzeit ja generell viel die Rede - nur eine Mode? Ich glaube nicht, aber natürlich sind diese "Krankheiten" schwammig, und natürlich werden die gesellschaftlichen Hintergründe unzureichend beleuchtet.

Was immer seine Gründe waren, er war nicht zu müde zu gehen.
1928

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