Zu Teil IEske Bockelmann hat nun nachgelegt. In EXIT! 5 (v. Mai 2008) wurde sein Artikel "Die Synthesis am Geld: Natur der Neuzeit" veröffentlicht. Wie eigentlich der Titel schon verrät, sehr schwere Kost. Ich werde ihm im folgenden nicht gerecht werden können, will aber trotzdem etwas dazu schreiben...
Seine Erkenntnisse versteht er als Weiterentwicklung und Korrektur von Sohn-Rethels "halbintuitiver Einsicht", welche die Abhängigkeit der menschlichen Denkform von der Warenform bzw. Geldform zum Inhalt hat. Hierzu wird gleich klargestellt: "Sohn-Rethel allerdings bleibt stets unbestimmt darin,
welche Universalbegriffe,
welche Denkform es genau sei, die durch die Geldform bestimmt werde." Außerdem ist zunächst unklar,
wie eine objektive Form in eine subjektive (Denk)form übergehen soll.
Laut Bockelmann sind die Vorschläge Sohn-Rethels dazu in sich widersprüchlich. Er geht vom Warentausch aus, den er vom Gabentausch abgrenzt, welcher schon lange vorher bekannt war. Gabentausch bedeutet: Ich gebe dir was, und du gibst mir was. Sicher zielt auch das auf einen Austausch, auf ein Gleichgewicht, so wie es Sahlins im Buch "Stone Age Economics" dargestellt hat (ich werde hier im Blog noch interessante Zitat daraus bringen). Aber es geht nicht um Äquivalenz! Anders beim Warentausch, ebenso beim Kauf, der eine Sonderform des Tauschs ist (wenn auch nicht im formalrechtlichen Sinn): Hier kommt es entscheidend auf Äquivalenz, Gleich
wertigkeit an. Bockelmann:
"Äquivalenz, diese Abstraktionsleistung, ist keiner Handlung als solcher mitgegeben. [...] Äquivalenz ist von den am Tausch beteiligten Subjekten zu leisten. [...] Daß Äquivalenz von den Subjekten zu leisten ist, heißt aber, daß sie sie denken müssen [...] nicht notwendig bewußt, aber doch in keinem Fall anders als in der subjektiven Leistung "Denken". [...] Der Übergang der Geldform in die Denkform kann sich nicht anders vollziehen als unreflektiert und unbegrifflich [anders noch Sohn-Rethel]. [...] Das Denken muß die Form, die ihm mit der Äquivalenz des Tausches unvermerkt abverlangt wird, unwillkürlich wiederholen."
Was nun am Tausch Ware/Geld "verdeckt" zu denken ist, das sei "ohne Zweifel die Verbindung der getauschten Dinge, ihre Verbindung als der jeweils hinzugedachte gleiche Wert von Ware und Geld." Hier wird nun der Unterschied zwischen den Tausch
arten wesentlich. Beim Tausch Ware gegen Ware ist von den Subjekten nur die Gleichwertigkeit des jeweiligen Materials zu denken. Ebenso wenn einer Ware das Geld als eine allgemeine Ware gegenübersteht, Goldstücke etc.. Anders jedoch, wenn Ware gegen Geld als Geld getauscht wird. "Nach Marx´ Analyse entwickelt Geld diese dritte Bestimmung historisch dann, wenn es zum Weltgeld wird."
Denn damit verändert sich der Charakter des Geldes, es schlägt um in eine neue Qualität. Denn der Einzelne
"muß unablässig etwas, worüber er verfügt, auf Geld beziehen und Geld beziehen auf etwas, worüber er verfügt oder verfügen möchte. Und diese Notwendigkeit tritt nicht ihm allein und vereinzelt gegenüber, sondern ist die allgemeine, die ihn bindet an die anderen - und die anderen an ihn."
Letztlich bedeutet das, "daß der Wert nicht mehr allein in etwas Wertvollem oder an ihm gedacht werden kann und muß, sondern ablösbar davon, als absoluter Wert, als Wert für sich. Das war er niemals vorher."
Diese Bestimmung des Geldes wurde kurz nach 1600 erreicht. Neu daran sei, wenn man es "am knappsten zusammenfaßt", die "reine Einheit", die totale Inhaltslosigkeit. Bockelmann:
"Selbst die reinste Einheit etwa bei Platon, die Einheit der Ideen, das Eine, die Zahl, wesenhafte Form, wie inhaltsleer sie auch gedacht sein mögen, sie sind doch inhaltlich, sind doch Einheiten und der Inbegriff von Inhalt, insofern sie alles Inhaltliche zusammenfassen und bestimmen sollen. Reine Einheit dagegen steht dem Inhaltlichen als das absolut Nicht-Inhaltliche gegenüber."
Als harten Beleg für diese Überlegungen betrachtet Bockelmann nach wie vor die Einführung des betont-unbetont-Taktes in der Musik ziemlich genau ab 1620 (siehe Link am Anfang: Das Takthören als unwillkürlicher (aber nicht naturwüchsiger) Reflex. Untersuchungen hätten ergeben, daß wir das gleichmäßige Tropfen eines Wasserhahns unwillkürlich in Zweiergruppen wahrnehmen - TROPF tropf - TROPF tropf...
Bockelmann:
"Das aber ist eine synthetische Leistung, die Synthesis nach dem Hervorhebungsverhältnis. Unser Takthören ist nichts anderes als die Wirkung dieser Synthesis. Und eben sie ist unmittelbar die Synthesis nach dem asymmetrischen Ausschließungsverhältnis: so begriffen wie das, wozu sie gewonnen wird, das VErhältnis von Ware und Geld. [...] Unser reflexhaftes Zusammenordnen je zweier Elemente [also das was auch mit der Gegenüberstellung und Gleichbewertung von Ware und Geld passiert] verbindet diese ja, indem wir sie in einem bestimmten Verhältnis gegeneinander unterscheiden."
Bliebe noch die Frage, was das Ganze eigentlich soll. :) Schließlich ist der Gedanke beängstigend, wie tief Ware und Geld in das hineinreichen, was wir bisher als unsere innerste Natur verstanden haben. Bockelmann rechnet daher auch mit (psychologisch erklärbarem) Widerstand, meint aber auch nicht, daß der Ertrag dieser Erkenntnisse sich auf ein "mal wieder was Neues erkannt zu haben" als solches beschränkt. Vielmehr sei damit ein Zugang geschaffen, um viele gesellschaftliche Phänomene zu verstehen, z.B. warum die Techno-Musik in den am höchsten monetarisierten Gesellschaften am weitesten verbreitet ist, in letzter Konsequenz aber:
"Doch die Macht des Geldes zu erkennen als eine unsichtbare, als eine Form, in der wir unwillkürlich und mit Freuden denken und empfinden, uns selbst und die Welt, in welcher dieses Geld so sichtbar mächtig ist, das wäre nicht nur ein Erkenntnisgewinn. Es ist Voraussetzung dafür, diese Macht zu brechen, ist das Einzige, was uns davor bewahren könnte, jede Kritik der Herrschaft und Geellschaft abstrakten Werts nur immer wieder in den Formen dieser selben Herrschaft zu denken - also nicht aus ihr hinaus zu finden."