Sunday, April 29, 2012

Heinz Kahlau und die De De Er

Erbe

Wenn wir den Sozialismus
einmal gereinigt haben
von seinen Alleswissern,
werden von ihnen zeugen
noch eine lange Zeit:
Dummheit, Narben
und schlechte Sitten.



Hochschule

An der Hochschule
für Ökonomie,
der jüngsten
aus den Kämpfen der Klassen
entstandenen
Universität
des Sozialismus -
kämpfen die Professoren
um die Einführung
einer Grußordnung.


Das sind zwei Gedichte von Heinz Kahlau , dem kürzlich verstorbenen Dichter, der mir vor seinem Tod nur vom Namen her bekannt gewesen war. Ich habe sie nicht zufällig ausgewählt:
Anläßlich seines Todes wurden verschiedene (andere) Gedichte veröffentlicht, die mir sehr gefielen. Darum kaufte ich mir den
Gedichtband "Die schönsten Gedichte - ausgewählt von Lutz Görner". Im Klappentext (2. Aufl., 2004) heißt es (Zitat Görner):
"Ich habe Heinz Kahlau nicht verbiegen und hellsichtiger machen wollen als er war und ist."

Diese Bemerkung machte mich stutzig! Wieso schreibt jemand so etwas? Es kann ja nach menschlichem Ermessen nur bedeuten:
Kahlau war nicht gerade besonders hellsichtig, jedenfalls auf einzelnen wesentlichen Gebieten.

Ein Blick ins Nachwort bringt schnell Aufklärung. Kahlau - Stasi - raus aus Stasi - Kritiker des "DDR-Sozialismus" - aber niemals auf der "anderen Seite", niemals VON der anderen Seite aus agierend, argumentierend, schreibend. Die Art von Gedichten, die bei diesem Ringen entstand, sehen wir (z.B.) oben.

Also wir lernen: Görner = der wesentlich hellsichtigere Ossi (das ist Ironie...), der aber Kahlau trotzdem geschätzt hat und ihn im Nachwort durchaus verteidigt.

1 Comments:

At Tue Oct 16, 03:27:00 AM 2012, Anonymous Anonymous said...

Kommentar vom Besserwessi
Klar, Kahlau war sehr begabt - zumindest sprachlich.
Bei der Vorbereitung zur Eröffnung einer Fotoausstellung musste ich der wunderbaren Eva Lehmann, die Arbeiten zu (wunderbaren)Kahlau-Texten geschaffen hatte folgendes geschrieben:
ich habe zwischenzeitlich bei kahlau den eindruck,
dass er doch kein so angenehmer zeitgenosse war

er hat bspw. den propagandatext zum mauerbau geliefert:

IM SOMMER EINUNDSECHZIG
Im Sommer einunsechzig - beim Kurs von eins zu fünf,
da machten die Grenzgänger - sich täglich auf die Strümpf'.
Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot.

Im Sommer einundsechzig - da holten aus Westend,
die Werber sich das Kopfgeld, - die Waffen der Agent.
Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot.

Im Sommer einundsechzig, - am 13. August,
da schlossen wir die Grenzen, - und keiner hat's gewußt.
Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot.

Komponist: Wolfgang Lesser.Text von Heinz Kahlau

das ganze wurde damals aufgezogen, wie im 3. Reich mit "Charlie and his orchestra", die mit Swingmusik Churchill und Roosevelt diffamierten (es gibt mind. 1 weitere Klappe zu - Affe tot
Version, die stark in diese Richtung geht (Komponist: Siegfried Matthus. Text von Herma Langenhahn))

dazu kommt die Vita von Kahlau -
die lässt den Schluss zu, dass er quasi als DDR-Top-Gennossen-Talent gezielt gefördert und seine Karriere incl. der genau dosierten Kritik am Ungarnaufstand durchgeplant wurde.
Die Ausbildung bekam er bei Brecht, seine Karriere bekam während der Tätigkeit als IM einen kräftigen Schub (1957 - 1964) - er wurde also sicherlich weniger gepresst als er die IM - Möglichkeiten nutzte [faktisch betrachtet war er dabei weiterhin SED-Mitglied, schließlich war die STASI ein SED - Organ]
Es gelang ihm zudem aktiv eine Rolle im P.E.N. ( Poets, Essayists, Novelists) der DDR zu übernehmen und wurde dann
zwischen 1970 und 1980 zum Vorsitzenden des P.E.N
Diese Vereinigung mißachtete unter seiner Leitung die Statuten des Internationalen P.E.N., das die Mitglieder verpflichtet, sich gegen jegliche Zensur und für freie Kritik einzusetzen nicht nur sondern er baute den P.E.N. so um, dass die SED verstärkt Einfluß nehmen konnte. - Hierzu gibt es eine Dissertation von Dorothée Bores „Das ostdeutsche P.E.N.-Zentrum 1951 bis 1998. Ein Werkzeug der Diktatur? (erschienen 2010 und dort wird im 7. Kapitel dieser Zusammenhang beschrieben)
Nach 1980 erhält er einige Auszeichnungen u.a. 1989 Vaterländischen Verdienstorden in Bronze als "Aktivist der Ersten Stunde" zum 40. Jahrestag der DDR
Kahlau bleibt bis zu seinem Tod SED-PDS-Die Linke-Mitglied und veröffentlicht rechtzeitig zur Wende noch den Gedichtband "Querholz" mit erneut gezielt dosierten regimekritischen Texten.
So gelangt es ihm 1990-1991 Mitglied der Untersuchungskommission zur Geschichte des Schriftstellerverbandes der DDR
zu werden - man macht also den Bock zum Gärtner

Liebe Eva - sei mir nicht böse - ich bin angewidert von diesem Menschen ich denke, er war einer derjenigen die das Regime damals ausmachten und andere für ihre Zwecke mißbrauchte

Viele Grüsse,
Thorsten Portisch

 

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