Friday, April 06, 2012

Entsorgungs-Strategien

Günter Grass hat ein Gedicht geschrieben, das für beachtliches Aufsehen sorgt. Ich bin nicht gerade ein großer Freund von Grass, insbesondere fand ich seine politischen Äußerungen seit jeher nicht besonders tiefsinnig. Wenn er sich nun zu Israel äußert, hat er außerdem ein Glaubwürdigkeitsproblem wegen des Verschweigens seiner SS-Angehörigkeit. (Dies hat auch die "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden" hervorgehoben, die ihn im übrigen aber verteidigt.)

Auch dieses Gedicht finde ich inhaltlich nicht gerade überragend. Darüber könnte man lange diskutieren. Mir geht es aber darum, ob die an Grass geübte Kritik angemessen ist. Naja, sie ist es nicht im geringsten. Mir sind zwei Strategien aufgefallen, die offenbar dazu dienen, ihn kostengünstig entsorgen zu können. Beide sind nicht neu:

1) Es ist teilweise von Versgestammel u.ä. die Rede. Man darf durchaus Zweifel haben, ob diese Leute die literarische Qualität von Gedichten bewerten können. Aber sprachliche Kunstfertigkeit ist ja in diesem Fall nicht das Entscheidende. Wenn trotzdem auf Sprache herumgeritten wird, dient das einfach - doch sehr offensichtlich - dazu, den Literaturnobelpreisträger ins Herz zu treffen: Schaut her, nicht mal sein Handwerkszeug beherrscht er. Das Ganze fällt unter die beliebte Strategie "Lächerlichmachen".

2) In vielen Kommentaren wird auf das Alter des Dichters abgehoben, der Begriff der letzten Tinte wird gegen ihn verwendet (welch letzteres schon richtig widerlich ist). Ich habe oft beobachtet, daß Wissenschaftler, Politiker u.a. erst im Alter aus der Deckung kommen, wenn sie glauben, nichts mehr zu verlieren zu haben. Evtl. auch, was natürlich kritikwürdig ist, wenn sie ihre Schäfchen im Trockenen haben.
Dann heißt es regelmäßig: Diese Meinung haben ja nur wenige, ein paar Verrückte und so ein paar Alte, die ihrer Senilität zum Opfer gefallen sind.

Soweit zur Entsorgung. Eine weitere Frage wäre, warum diese Art von Kritik von den Vollstreckern der "Bewußtseinsindustrie" (Enzensberger) im Fall Grass für notwendig erachtet wurde...

P.S. Die häufigste Art der Entsorgung bestand natürlich wieder im Schwingen der Antisemitismuskeule. Diese Taktik ist ja nun derart abgenudelt und gerade im Fall von Grass so abwegig, daß eine Beschäftigung damit nicht lohnt. Das ist freilich nicht in jedem Fall so eindeutig, darauf werde ich noch zurückkommen.

0 Comments:

Post a Comment

<< Home