Friday, March 21, 2008

"Der Kollaps der Modernisierung"

Kurz nach dem "Mauerfall" schrieb Robert Kurz das Buch "Der Kollaps der Modernisierung". 15 Jahre später gab er dazu ein Interview. Ich zitiere den Schluß hier:

Da die innere strukturelle Krise ausweglos wird, klammert sich das "positive Denken" an die Hoffnung auf äußere Träger eines neuen Zeitalters der Akkumulation. Nach Japan und den "kleinen Tigern" wird nun China als neuer Träger des globalen Wachstums und als Modell beschworen. Aber diese Hoffnung trügt ebenso wie die früheren. Die hohen chinesischen Wachstumsraten sind allein dem niedrigen Ausgangsniveau geschuldet. Sobald die Schwelle eines intensiven, von gewaltigen Investitionen in die Infrastruktur und in die mikroelektronische Aufrüstung abhängigen Wachstums erreicht wird, werden die Raten des Wachstums ebenso steil abfallen wie bei den früheren Hoffnungsträgern. Abgesehen davon beruht das chinesische Wachstum auf einer völlig einseitigen Exportindustialisierung, die an der ungeheuren Masse der Bevölkerung vorbeigeht und den Körper der gesellschaftlichen Reproduktion zerreißen wird. Aber selbst die minoritäre Exportindustrialisierung ist ganz einseitig auf die USA ausgerichtet und von den auf die letzte Weltmacht konzentrierten globalen Defizitstrukturen abhängig. Die chinesische Krise wird schlimmer als alle vorherigen sein.

Die innere Schranke des globalen warenproduzierenden Systems ist eine allgemeine, aber sie trifft auf ganz unterschiedliche Entwicklungs-Verhältnisse dieses Systems. Daraus entsteht gerade in der Peripherie immer wieder die optische Täuschung, daß es doch noch einen Anschluß an ein im Westen selber längst obsoletes Niveau geben könnte. Aber die "nachholende Modernisierung" ist nicht nur als solche gescheitert, sondern sie trifft auch auf die Krise des Westens selber und kann sich nicht mehr an diesem orientieren. Die ehemalige "Ungleichzeitigkeit" der Entwicklung ist eingeebnet, aber nicht positiv, sondern negativ. Die neue globale "Gleichzeitigkeit" der Krise erfordert auch eine neue Perspektive, die von ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten eine andere Art der Vergesellschaftung jenseits von Wertform und Abspaltung ins Auge faßt. Darauf ist die Menschheit nicht vorbereitet, aber sie hat keine andere Wahl.[...]

Für die Theorie kommt es darauf an, sich nicht irre machen zu lassen und den Widersprüchen standzuhalten, statt sich einer falschen Realität mit billigen Rezepten auszuliefern. Im Alltag der theoretischen Gruppen ist Solidarität und gegenseitige Hilfe ohne Pathos gefordert, aber dies darf nicht verwechselt werden mit der Ideologisierung eines diffusen "Alltags"-Begriffs, der schein-emanzipatorisch aufgeladen wird. Die emanzipatorische Überwindung des modernen warenproduzierenden Systems und der dazugehörigen Abspaltung erfordert einen gesellschaftlichen Eingriff auf hohem Niveau, zu dessen Vorbereitung eine kritische Theoriebildung nur dann beitragen kann, wenn sie auf Distanz zu den Ereignissen bleibt und nicht dem Druck eines Praxis-Anspruchs falscher Unmittelbarkeit nachgibt.

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