Die Antideutschen
Ein Phänomen, das mich immer wieder verwirrt. Sicher sind sie durchgeknallt, andrerseits wirken sie intellektuell sehr schlau, so daß man sich doch fragen kann, was ist da passiert? Die folgenden Notizen dienen hauptsächlich meiner eigenen Orientierung. Für ernsthafte Hinweise immer dankbar, klar.
Wie so oft standen am Anfang berechtigte Anliegen. Aufgekommen sind die Antideutschen wohl nach dem DDR-Anschluß an die BRD. Nachvollziehbar die Bedenken, wie auch die Angriffe auf verkürzte/verkürzende "regressive" Kapitalismuskritik, bei der einzelne Akteure für kapitalistische Verwerfungen verantwortlich gemacht werden, das Gesamtsystem jedoch geschont wird. Diese Art von Kritik gerät nicht selten in die Nähe zu verschwörungstheoretischen oder antisemitischen/antiamerikanischen Theorien.
Irgendwie kam es aber zu einer Ideologisierung dieser legitimen Ansätze, d.h. die traditionellen linken Ansätze wurden gerade umgekehrt, entsprechend auch die Ausblendungen. Ideologien bestehen ja aus lebens/realitätsverkürzenden Ausblendungen.
1) Aus Kritik an Personalisierung wurde reine Systemkritik, mit der Folge, daß die Subjekte im Kapitalismus allzusehr gleichgesetzt wurden (jeder unterliegt Systemzwängen), und jeder Protest, der nicht von vornherin auf Totalüberwindung des Kapitalismus zielt, gilt als unzulässig.
2) Aus Kritik an antisemitischen Haltungen oder Färbungen wurde Islam- bzw. Araberhass.
3) Aus Kritik an Nationalismus, Anti-Amerikanismus/anti-israelischen Ressentiments wurde bedingungslose USA- und Israel-Unterstützung, inklusive Unterstützung (fast?) aller Kriege dieser Länder. Bis hin zu Demos, bei denen keine Fahnen erwünscht waren, außer US-amerikanische und israelische.
4) Aus Kritik an Naturalismus, Biologismus, "Agrarromantik" uä. wurde blinder Fortschrittsglaube.
Im Ergebnis dürften viele Antideutsche daher eher dem rechten Spektrum zuzurechnen sein als die von ihnen Kritisierten. Die Modernität, mit der sie daherkommen, ist da kein Hindernis. Robert Kurz zutreffend: Die mörderische NS-Maschine wirkte demgegenüber [den damaligen konservativen Kräften] hypermodern und vorwärtstreibend.
Bei Antideutschen gibt es natürlich auch viele Schattierungen, Softies und Hardcore-Antideutsche. Aber es gibt, im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl, schon eine erstaunlich große Zahl von Blogs usw. mit wirklich Durchgeknallten ihrer Zunft.
Einer davon ist der "rote Salon". Da finden sich Perlen wie:
"Ich rate sehr dazu, Demokratie ernst zu nehmen. Es gibt kein einziges Großprojekt in Deutschland, das besser demokratisch legitimiert ist als die Neubaustrecke Ulm-Stuttgart und der Stuttgarter Tiefbahnhof."
"Stuttgart 21 wird mit eindeutiger Mehrheit gebaut. Und das ist gut so. Die Menschen in Baden-Württemberg setzen auf die Bahn, auf deren Ausbau und auf die starke Anbindung vieler Regionen an die Schiene."
( https://exilblog.wordpress.com/2011/11/28/s21-und-die-freitags-community-alles-idioten/ )
Sicher beruhen solche Entgleisungen auf extremer Unkenntnis der Sache. Aber der Unwille, sich diese Kenntnisse anzueignen, geht auf die antideutsche Ideologie zurück, bei der das Bibelwort tatsächlich stimmt: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
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