Sunday, June 29, 2008

Frei - für immer?

Meine Einträge über Robert Kurz und Annett Kuhr haben sicher herzlich wenig miteinander zu tun, und ich würde die Themen nicht künstlich verknüpfen wollen. Allerdings fiel heute ein Satz von Robert Kurz, der mich sofort an ein Lied von Annett Kuhr erinnert, und ich werde diese Zitate jetzt mal besprechen.

Robert Kurz im EXIT-Seminar 2008 zur Fetischkonstitution unserer Gesellschaft (die natürlich im allgemeinen bestritten wird) und speziell zur Frage, ob man sich neue Fetische sucht, wenn die alten weg sind:
"Wenn man nicht mehr an den Osterhasen glaubt, kann man nie mehr daran glauben."

Annett Kuhr in ihrem Lied "Selbstgespräch" mit (wohl?) rein persönlicher Relevanz:
"Bist du einmal frei, bleibst du für immer frei (als wärst du einfach aufgewacht, aus tiefer Nacht)".

Zunächst Versuch einer kurzen Erläuterung zum Fetischbegriff: Ähnlich wie das kleine Kind den Osterhasten unhinterfragt als Realität betrachtet, hat die Menschheit in der Vormoderne die Legitimität ihrer "Herrscher" nicht grundsätzlich hinterfragt; nach dem Motto etwa, wenn Gott es nicht gewollt hätte, hätten die auch keine Herrscher werden können. Laut Robert Kurz und Kollegen trifft dies auch auf die Moderne zu, nur daß der "Fetisch" hier nicht irgendwelche (Willkür)herrscher, sondern Ware und Geld sind, aber damit untrennbar verbunden auch Staat, Recht, Ethik und sogar Verstand und Vernunft. Weder sozialdemokratische Reformbemühungen, die Gesellsche Theorie des Freigelds noch die "realsozialistischen" Staaten (um nur einige zu nennen) haben diese Fetischkategorien wirklich jemals aufgebrochen.

Mal angenommen, das wäre so richtig, stimmt dann der Osterhasenvergleich von Robert Kurz? Und stimmt die in die ganz ähnliche Richtung gehende Aussage von Annett Kuhr?
R. Kurz führte als Begründung (ungefähr) an: Fetischismus ist ein unbewußtes Geschehen, und wenn man sich der Fetischkonstitution (oder sonstwas) bewußt wird, kann man nicht bewußt wieder unbewußt sein. Sicher, wenn man nicht mehr an den Osterhasen glauben kann, kann man normalerweise auch nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben. :)
Trotzdem ist doch vielleicht nicht ausgeschlossen, daß es dann eben einen Fetischismus "auf höherer Ebene" geben könnte. Daß der Fetischgegenstand bereits in der Vergangenheit vom Willkürherrscher zum Waren-Zwangssystem gewechselt hat, ist dafür allerdings kein Beleg, weil der alte Fetisch nie abgeschüttelt wurde, sondern nahtlos, Stück für Stück, gegen den neuen ausgewechselt wurde. Wie es bei völliger Befreiung von der Fetischkonstitution ist, ob dann irgendwann trotzdem eine andere neue Fetischkonstitution entstehen könnte, muß vielleicht einfach offenbleiben.
Dem Grundgedanken beider Zitate dürfte trotzdem etwas Richtiges anhaften, denn wer einmal aus tiefer Nacht aufgewacht ist, der hat natürlich ein ganz anderes (Bewußtseins)arsenal zur Verfügung, um sich gegen neuerliche Gefangenschaft zu schützen.

Lesetip zum Fetischbegriff, für die Hartgesottenen: Subjektlose Herrschaft

0 Comments:

Post a Comment

<< Home