Thursday, September 04, 2008

Blutige Vernunft (3a)

"Gleichheit zum Tode: die negative Universalität der Rechtsform als Selektionsmechanismus"

Was für den Begriff der Individualität gilt, lässt sich ebenso für den Begriff der Universalität feststellen. Auch in dieser Hinsicht ist die Aufklärungsideologie samt ihren Objektivierungen als fundamental unwahr und bar jedes emanzipatorischen Kerns zu destruieren. Wird die moderne Individualität seit den Parolen der Französischen Revolution der "Freiheit" (Autonomie) zugeordnet, so der moderne westliche Universalismus der "Gleichheit". Die Ideologie der Gleichheit suggeriert die unbeschränkte Anerkennung aller Individuen gleichermaßen als "Menschen überhaupt", ausgestattet mit unveräußerlichen Rechten (ursprünglich als Naturrecht firmierend), die sich in universellen "Menschenrechten" ebenso wie in der Form nationalstaatlicher Rechtssysteme darstellen sollen. Darauf beruft sich bekanntlich der aktuelle westliche Menschenrechts-Imperialismus mehr denn je zur Rechtfertigung seiner globalen Brutalitäten.

Wie jedoch die vielbeschworene Individualität nichts anderes ist als das abstrakte "Ich" , das bloß abstrakte und in die moderne Subjektform des Werts eingeschlossene Individuum, ebenso ist der moderne westliche Universalismus ein abstrakter und damit negativer. Wie die Individuen nur "frei" und "autonom" sind, soweit sie ihre Entscheidungen im Rahmen der kapitalistischen Form treffen und kompatibel mit der "Notwendigkeit" der blinden Verwertung des Werts und dessen Pseudo-Naturgesetzen bleiben, ebenso sind sie nur "gleich", wenn sie eben gleichermaßen der Wertform unterworfen und deren Vollzugssubjekte sind. Der Mensch überhaupt ist der bloß abstrakte Mensch, der Mensch soweit er Subjekt des Werts sein kann. Ausschließlich darauf bezieht sich seine "Anerkennung" als Mensch und allein in diesem Sinne kann er universelle "Menschenrechte" besitzen und Rechtssubjekt im Rahmen staatlicher Strukturen sein. Außerhalb davon, das heißt außerhalb des gnadenlos eingrenzenden Universums der Wertform, hat er demzufolge nichts Menschliches mehr und steht auf der Stufe von Tieren oder bloßer Materie. Die Rechtsfähigkeit, also auch die Menschenrechtsfähigkeit, ist somit gebunden an die Verwertungsfähigkeit, die Arbeitsfähigkeit, Verkaufsfähigkeit, Finanzierungsfähigkeit, mit einem Wort, an die "Rentabilität" der Existenz, die sonst "objektiv" für ungültig erklärt wird.

Da die Wertvergesellschaftung für sich allein in ihrer Negativität und Destruktivität von universellen Konkurrenzverhältnissen keinen Tag lang reproduktionsfähig wäre, musste sie ihre eigene Universalität schon durch das geschlechtlich besetzte Abspaltungsverhältnis dementieren. Ursprünglich war das Rechtssubjekt, auch das Menschenrechts-Subjekt, daher ausschließlich ein männliches. Zwar setzte sich schließlich die die juristisch-staatsbürgerliche Gleichstellung der Frauen in den meisten Staaten durch (erst im 20. Jahrhundert), aber eben nur insoweit sie Wertsubjekte sind, während die weiterhin als "weiblich" definierten abgespaltenen Momente außerhalb der Universalität weitgehend rechtsfreie Räume bleiben oder sich der Rechtsform des abstrakten Universalismus sperren und sie ad absurdum führen.

wird fortgesetzt (3b)
(Robert Kurz, Blutige Vernunft, 2004)

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