Sunday, July 15, 2007

Guter und böser Kapitalismus?

Der Nürnburger Publizist Robert Kurz ist einflußreich, aber durchaus umstritten: Er gilt vielen als Untergangsprophet (des Kapitalismus) - dazu demnächst eine Gegenüberstellung von zwei Positionen -, und seine Vorstellungen von alternativen Gesellschafts- bzw. Wirtschaftsformen einschließlich der totalen Ablehnung des "Staatssozialimus" (DDR) stoßen auf den Vorwurf der Naivität. Dessen ungeachtet scheint mir seine Analyse der kapitalistischen Systems aber überzeugend zu sein. Bedeutsam ist hier insbesondere:

An dieser Stelle muß eine grundsätzliche Argumentation einsetzen. Es ist völlig sinnlos, hier mit subjektiven und moralischen Kategorien zu operieren, wie es weitgehend in der öffentlichen Debatte geschieht, gerade bei den Globalisierungskritikern und übrigens auch bei populistischen Kampagnen von Teilen der politischen Klasse. Die neue finanzkapitalistische Plünderungsökonomie ist das Resultat eines objektiven Krisenprozesses der kapitalistischen Verwertungslogik selbst, keine Fehlleistung von womöglich subjektiv böswilligen Finanzmanagern. Die Kritik, wenn sie diesen Namen verdient, muß auf der Ebene des kapitalistischen "Betriebssystems" selbst ansetzen, wovon weit und breit nichts zu hören ist. Die gänge moralische Invektive gegen die "Plünderer" verwechselt systematisch Ursache und Wirkung. Dieselben Manager, die sich auf Differenzgewinne in der Zirkulation von Finanztitel kaprizieren, würden vielleicht liebend gerne traditionelle Realinvestionen vornehmen, wenn sie denn könnten. Aber diese sind angesichts weltweiter Überkapazitäten qua systemischer Logik unrentabel geworden. Es bleibt nur der Ausweg in den entkoppelten Finanzüberbau, auch wenn dieser Ausweg gesellschaftlich keiner ist. Die vermeintliche Kritik wird so selber subjektiv bösartig, indem sie etwas einklagen will, was objektiv gar nicht mehr geht.
[...]
Solche kleinen Pannen wie die von Nick Leeson [der Spekulant, der 1996 die Barings-Bank ruinierte] sind allerdings nur Peanuts beim tagtäglichen Billionen-Umsatz an den Finanzmärkten. Und es gibt eben schon längst keine eigenständige kapitalistische Realökonomie mehr, deren vermeintliche Rationalität inzwischen sogar von Marxisten beschworen wird und nach der sich eine kapitalistisch domestizierte Menschheit zurücksehnt. Die Flucht in den Finanzüberbau ist nicht nur der einzige Ausweg angesichts der objektiven Grenze der Realakkumulation; vielmehr ist es ja das Recycling aus den Finanzblasen, das (etwa im Bau- und Immobiliensektor) überhaupt noch "grundlose" und prekäre realökonomische Prozesse generiert. Insgesamt sind es gerade die Nick Leesons dieser verkehrten Welt des Kapitals, die mit ihrer geisterhaften zirkulativen "Wertschöpfung" jene Liquidität erzeugen, die dann zum Teil in die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern geschaufelt wird. Gäbe es die Leesons nicht, wäre das Ergebnis nicht etwa eine Rückkehr zum regulären, von "Arbeitsplätzen", Realinvestitionen und Realeinkommen getragenen Konjunkturaufschwung, sondern die endgültige Bruchlandung.
(Aus: Das Weltkapital, Robert Kurz, 2005)

Bis zum nächsten Mal!
Jürgen

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