Und noch mehr Terror
Gudrun Ensslin hat seit ihrer Verhaftung 1972 etliche Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried geschrieben. Am Anfang durfte sie nur der Familie schreiben; wie ihre o.g. Geschwister meinen, diente diese Maßnahme auch dazu, sie auf ihre Familie (im Gegensatz zu ihrem "revolutionäres Umfeld") zurückzuwerfen, was Gudrun in übrigen genau erkannt habe.
Im Buch "Zieht den Trennungsstrich, jede Minute" sind die Briefe Gudruns aus den Jahren 1972 und 1973 dokumentiert. Die o.g. Geschwister haben ein Vorwort geschrieben, darin heißt es u.a.:
Obwohl unsere eigenen Briefe verschollen sind und sich ihr Inhalt nur in Gudruns Antworten reflektiert, wird in diesem politischen Dialog schnell ein Gefälle deutlich: Wir sind es, die von Gudrun agitiert werden. Diese Autorität akzeptierten wir, da wir zwar auch in "kleineren Zusammenhängen" aktiv waren, sie dagegen mehr politische Erfahrung und Praxis hatte und mit vollem Einsatz kämpfte.
Was die Briefe aus unserer Sicht auszeichnet, ist ihre begriffliche Schärfe und Veranschaulichungskraft, mit der Gudrun die marxistische Analyse der gesellschaftlichen Totaliät mit den Einzelheiten der erfahrenen Umgebung verknüpft und umgekehrt. So werden Knastalltag und Knaststruktur, Zweck und Wirkung der Behördenrepression, aktuelle Politik, aber auch Familienbiographisches präzise als Indizien beschrieben, die den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang sichtbar werden lassen.
Das Ergebnis dieser hellwachen Semantik ist, daß die alltäglichen Erfahrungen mit Bedeutung aufgeladen werden, was ein verändertes Lebensgefühl, einen Politisierungsschub bewirkt. Sie selbst nennt es den "24-Stunden-Fick". [...]
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