Persönliches - Politisches (eine Rückblende)
Henriette Haill hat, vermutlich in den 60ern, Rückschau auf die 20er gehalten, als sie ein reges Wanderleben geführt hatte. Sicher sind diese Zeilen recht verklärend, nichtsdestotrotz geben sie einige Aufschlüsse über die damaligen Umstände. Zum besseren Verständnis sollte man dazu wissen, daß die Autorin selbst dem kommunistischen Jugendbund angehörte.
Auf unseren Wanderungen brachten wir möglichst viele Kilometer hinter uns, was wir "Kilometerfressen" nannten. Damit prahlten wir dann zu Wochenbeginn in der Werkstatt, bei Zusammenkünften und auf der Stempelstelle des Arbeitsamtes. Wir hatten eine Fröhlichkeit, die ich heute, im Zeitalter der Atombombe und des Wirtschaftswunders, vermisse. Wir lachten über alles, über die Sonne, die uns beschien, und den Regen, der uns überraschte; über kleine Mißgeschicke anderer und über die eigenen Fehler und Schwächen. Begegneten uns Gruppen von Wandervögeln oder christlichen oder nationalen Vereinen, warfen wir uns beißenden, aber ungehässigen Spott zu, übertrumpften einander mit Argumenten und Beweisen, und saßen trotzdem gemeinsam am Lagerfeuer, sangen in Ruinen gemeinsam Volkslieder und wurden in Landheime eingeladen und dort beherbergt. Denn die Jugend ist großzügig, und Jungsein verbindet oft mehr als Politik und Weltanschauung. Die politischen Fronten waren damals noch nicht so verhärtet, das kam erst später, aber früher als wir gedacht hatten...
(Text entnommen dem Booklet der CD "Straßenballaden" von Wenzel/Haill)
1 Comments:
Im "Verklären" bin ich ja auch ganz groß. Vielleicht glaube ich ihr deshalb aufs Wort. ;)
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